Äsche
Bedrohte Schönheit in Niedersachsens Gewässern
Eine echte Schönheit verschwindet still und leise seit Jahren aus Niedersachsens Gewässern: die Äsche (Thymallus thymallus). Die elegante Lachsverwandte war einst so häufig, dass eine ganze Fließgewässerregion nach ihr benannt wurde. In der „Äschenregion“ liegen Flüsse des Berg- und Tieflandes wie Rhume, Oker, Leine und Ilme oder die Heidegewässer Seeve, Ilmenau, Luhe und Örtze. Nicht umsonst sind sie als „höchst prioritäre Gewässer“ eingestuft, quasi die Kronjuwelen der niedersächsischen Gewässerlandschaft. Noch heute sind die Flüsse in vielen Abschnitten ökologisch weitgehend intakt. Trotzdem ist die Äsche in fast allen Gewässern kaum noch vorhanden.
Wie in den meisten Bundesländern gilt die Äsche auch in Niedersachsen mittlerweile als „stark gefährdet“ (Rote Liste Kategorie 2). Der langfristige Bestandstrend ist „stark abnehmend“, der kurzfristige Bestandstrend sogar „sehr stark abnehmend“. Im Rahmen der Niedersächsischen Strategie zum Arten- und Biotopschutz, die einen Beitrag zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt leisten soll, wird die Äsche in den Vollzugshinweisen zum Schutz von Fischarten als Art mit höchster Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen aufgeführt.
Wissenschaftler aus ganz Europa sind sich einig: Der Fraßdruck der stark gestiegenen Population des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) hat wesentlich zum Einbruch der Äschenbestände beigetragen und eine Erholung verhindert – in ganz Europa. Waren in den 80er Jahren die Äschenbestände vielerorts intakt, sind sie seit Mitte der 90er Jahre in den meisten Gewässern Niedersachsens um über 90 % eingebrochen. Eine Erholung der Bestände konnte auch in den darauffolgenden 25 Jahren in fast keinem Gewässer beobachtet werden. Details zum besorgniserregenden Zustand der Äschenbestände können Sie im Evaluationsbericht zur Niedersächsischen Kormoranverordnung lesen.
Trotz der akuten Gefährdungssituation der Äsche haben Naturschützer und Behörden den negativen Einfluss der Kormoranprädation lange geleugnet: Vogelschutz rangiert vor Fischschutz. Jetzt ist die Faktenlage erdrückend, doch es ist fast schon zu spät.
Lesen Sie unten, wie der AVN zusammen mit dem Fischereiverein Einbeck e.V., der Georg-August Universität Göttingen und einem engagierten Fischzüchter versucht, die Äsche im Leine-Weserbergland zu retten.
Beitrag des NDR “Nordreportage” vom 13.01.2022
Die Äschenretter aus Einbeck
Die Gewässer rund um Einbeck beherbergen eine wahren Schatz: Einen weitestgehend intakten Äschenbestand, der zudem keinerlei Anzeichen auf eine genetische Überprägung durch fremde Fische aus anderen Gewässersystemen aufweist.
Im Frühjahr 2015 startete der AVN zusammen mit den Anglern des Fischereiverein Einbeck e.V. ein Artenschutzprojekt zum Erhalt der wertvollen Ressource. Die Äschen werden zur Laichzeit mittels Elektrofischerei gefangen, abgestriffen und künstlich vermehrt. Ziel ist es ein Zuchtstamm aufzubauen, der stetig mit Wildfischen aus den Einbecker Gewässern gekreuzt wird, um mögliche Domestikationseffekte zu minimieren. Das Projekt verfolgt das Ziel lokalgenetische angepasste Äschen zu züchten, die in die Gewässer des Leine-Weser Systems zur Erhalung der gefährdeten Art ausgesetzt werden können.
Nach anfänglichem Leergeld ist das Projekt nun in der Erfolgsspur. Mittlerweile haben die Einbecker Angler mit Unterstützung des AVN nicht nur ihre Fangtechnik und die zeitliche Abstimmung optimiert, sondern auch Möglichkeiten etabliert, um gefangene Fische über mehrere Tage im Gewässer zu hältern. Dazu kommt die Kooperation mit einem Fischzüchter, bei dem Elterntiere artgerecht untergebracht und als Gen-Reserve vorgehalten werden können. Seit 2018 besteht auch eine Kooperation mit der Georg-August-Universität zu Göttingen. Seither werden künstlich befruchtete Eier aus Einbeck nach Göttingen überführt, dort erbrütet und zum Schlupf gebracht und bis auf Größe von Fingerlingen angefüttert. Anschließend werden die Jungfische zum Fischzüchter umgesiedelt, bis sie groß genug sind für den Besatz in geeigneten Gewässern. Im Agrardebatten-Blog der Georg-August-Universität zu Göttingen finden Sie weitere Informationen über das Artenschutzprojekt.
Im März 2020 ernannte der AVN den Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Frank Doods, zum Äschenpaten. Bei einem Ortstermin und dem Fang von Laichäschen verschaffte er sich einen Eindruck über das Artenschutzprojekt. Zukünftig soll er sich als Fürsprecher politisch für einen besseren Fischartenschutz in Niedersachsen einsetzen.
Das Artenschutzprojekt Äsche wird durch die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung gefördert.
Ansprechpartner: Dr. Matthias Emmrich
Eine typische Entwicklung der Äschenbestände in vielen Flüssen Niedersachsens:

Mitte der 90er Jahre sind die Bestände drastisch eingebrochen. Eine Erholung ist seither nicht in Sicht. Äschenfangdaten des Pachtvereins Hamburger Angler aus der Seeve
