AVN-Artenschutzprojekt “Karausche”

Ähnlich wie der Schlammpeitzger und die Quappe waren auch Karauschen (Carassius carassius) früher nahezu in ganz Niedersachsen verbreitet. Kleine Dorfweiher, pflanzenreiche Tümpel, Seen, Flüsse und Auen – das sind typische Lebensräume für diese kaum bekannte und jetzt stark bedrohte Fischart (Rote Liste 2).
Dabei ist die Karausche die wohl coolste Fischart, die wir in Niedersachsen haben! Cool, wie: frostbeständig. Was es mit dieser erstaunlichen Anpassung und mit dem Artenschutzprojekt des AVN auf sich hat, lesen Sie weiter unten.

Projektleiter: Dr. Matthias Emmrich

 

Pressemitteilungen zum Download:

Angler starten Artenschutzprojekt in der Aller

Artenschutzprojekt “Karausche” erfolgreich fortgesetzt

Karauschenbesatz 2015

Anfangs war nicht klar, ob wir unser “Artenschutzprojekt Karausche” überhaupt würden starten können: Der Fang von Elternfischen für die Nachzucht erwies sich als äußerst schwierig.
Nach etlichen Fehlversuchen erhielten wir von einem unserer Vereine Wildfänge aus der Aller bei Celle. Mit denen begann die Zucht zunächst auf einer Teichanlage bei Meißendorf. Dort trieben Fischotter ihr Unwesen, der Laichfischbestand schwand dahin. Trotzdem konnten wir schon im zweiten Jahr 3.000 Jungfische an unsere Vereine vermitteln. Und das innerhalb weniger Wochen! Der Andrang war groß, das Projekt wurde fortgesetzt. Mittlerweile züchten wir auch unsere Karauschen auf der Teichanlage in Poggenhagen. Sie leben in bester Gesellschaft mit Moderlieschen und Edelkrebsen. Jedes Jahr können wir gut 1.000 Jungfische anbieten.

Die “bucklige” Verwandtschaft
Die Karausche hat nahezu in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet ein erhebliches Problem. Und zwar zusätzlich zu dem extremen Lebensraumverlust, dem sie ausgesetzt war und ist.
Das Problem hat Flossen, sieht ihr täuschend ähnlich und heißt: Giebel (Carassius gibelio).
Ebenfalls eine karpfenartige Fischart, für Laien wie für Fischprofis von der Karausche äußerlich kaum zu unterscheiden. Und sie produziert mit ihrer bedrohten Schwesterart fortpflanzungsfähige Nachkommen!
So wurden bereits etliche Karauschenbestände genetisch unwiederbringlich verändert.
Sicher unterscheiden kann man die beiden Arten nur im toten Zustand bei einem Blick auf das Bauchfell, die Innenseite des Bauchraumes. Die ist beim Giebel schwarz angehaucht.

Die Karausche – eine Unterwasser-Alchimistin
Da ihre angestammten Lebensräume starken Wasserstandschwankungen ausgesetzt waren, mitunter sogar trockenfielen oder im Winter bis auf den Grund zufroren, entwickelte die Karausche Anpassungen an derart widrige Bedingungen:
Sie ist quasi ein schwimmendes Chemielabor. Wenn Nahrung knapp wird oder nicht mehr erreichbar ist, kann sie Zuckerverbindungen (Glykogene) in ihrem Leber- und Muskelgewebe einlagern – als kurzfristige, “on-board” Nährstoffreserve.
Gut und schön, Vorratshaltung kennt man auch von anderen Tieren. Was aber passiert, wenn akuter Sauerstoffmangel eintritt? Dann baut der Körper Kohlendioxid, das nicht veratmet wird, zu Milchsäure um. Die ist in höheren Konzentrationen schädlich für “normale” Wirbeltiere. Karauschen dagegen können bei Sauerstoffknappheit Milchsäure in Alkohol umwandeln, diesen aus den Zellen zu den Kiemen transportieren und dort an das Wasser abgeben.
Und sollte womöglich das Durchfrieren des Gewässers für die Sauerstoffnot verantwortlich sein, enthält ihr Blut Alkoholverbindungen, die quasi als natürlicher Frostschutz das Ein- und Erfrieren verhindern. Echt cooler Fisch, oder?!