29.04.2020
AVN äußerte umfassende Fachkritik
Der Landkreis Nienburg hat den Entwurf für die Fortschreibung des Landschaftrahmenplans (LRP) in Sachen angeln, Fische und Gewässerlebensräume maßgeblich überarbeitet.
Bereits 2019 hatte der Landkreis Nienburg den Entwurf vorgestellt.
Aber: Auf mehreren hundert Seiten kamen Fische und ihre Lebensräume oder Bedrohungsfaktoren für Wanderfische wie Wasserkraft nicht vor.
Wohlgemerkt: Entlang der Weser und in einem Gebiet mit Dutzenden Baggerseen.
Das Angeln selbst wurde nur erwähnt, wo laut gutachterlicher Einschätzung auch gleich ein Verbot empfohlen wurde.
Das AVN-Team hat dazu seine bislang umfangreichste fachliche Stellungnahme überhaupt abgegeben – und das Schlimmste befürchtet.
Denn, obschon ein LRP nicht rechtsgültig ist, sondern nur naturschutzfachliche “Empfehlungen” formuliert, werden genau diese herangezogen bei Planungen von Dritten, etwa bei der Folgenutzung von Bodenabbaugewässern. Dann kann ein empfohlenes Angelverbot sehr wohl Rechtsgültigkeit erlangen.
Anders als erwartet wurden jetzt aber nahezu ALLE! fachlichen Eingaben des AVN – teils im Wortlaut! – übernommen.
Etliche Verbote und Beschränkungen wurden gestrichen (z.B. Fischbesatz, Betretungsverbote, Angelverbote, etc.).
Das erleben wir leider nicht oft, daher an dieser Stelle ein dickes “LIKE” an den Landkreis Nienburg/Weser!
Wir freuen uns auf den weiteren Dialog – und für alle Angler entlang der Weser!
Hier einige relevante Punkte im Detail:
* Die Einschätzung, dass Angeln eine „Gefährdung“ für die Naturschutzziele an 19 Gewässerkomplexen darstellt, wurde nun an 10 Gewässern ersatzlos gestrichen (Altwasser am Hegegraben, Weserschleife bei Rohrsen/Hasßbergen, Haakenwerder, Estorfer See, Kleiner Maschsee, Wellier Kolk, Teichfledermausgewässer in der Radestorfer Masch, Große Aue von Voigtei bis Steyerberg, Große Aue zwischen Steyerberg und Wesermündung, südlicher Ortsrand Uchte). Dennoch bleibt für einige Gewässer die Einschätzung, dass Angeln „potentiell“ eine Gefährdung für Naturschutzziele darstellen kann und dass eine Aufgabe der Angelnutzung empfohlen wird.
* Der geforderte Einvernehmensvorbehalt (seitens der Naturschutzbehörde) zu Fischbesatzmaßnahmen wurde komplett gestrichen.
* Der Entwurf betont nun erstmals, dass „zwischen Naturschutz und Angeln viele gemeinsame Berührungspunkte bestehen“. Er betont nun erstmals, dass „die Ausübung des Angelns in der Regel nicht zu Konflikten mit dem Naturschutz führt“!
* Die Einschätzung des Landkreises, dass grundsätzliche Konflikte des Naturschutzes mit dem Angeln in der Weseraue bestehen wurde gestrichen!
* Bei der Beschreibung und Bewertung der einzelnen Landschaftsräume wird Angeln nur noch als „potenzielle“ (nicht mehr als tatsächliche) Gefährdung angesehen, die „im Einzelfall“ und „in besonders störungsempfindlichen Bereichen“ bzw. „bei Vorkommen besonders störungsempfindlicher Arten“ bestehen „kann“ – also eine erhebliche Abmilderung und Differenzierung. Der Landkreis betont, dass nun „in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob es eine Konfliktlage gibt und welche Maßnahmen ggf. zu ergreifen sind“.
* Der Landkreis streicht ersatzlos seine Forderung, dass im „Einzelfall“ „in Bereichen der Weseraue, die nicht zu den Kerngebieten des Biotopverbundes bzw. nicht zu NSG oder Entwicklungs-NSG gehören (…) eine gewerbliche oder Sportfischerei denkbar“ sei.
* Die Bedeutung der Wasserkraft als naturschutzfachliches Problem wird nun vielfach thematisiert, vorher kein Wort zur Wasserkraft.
* Für die Mittel- bis Langdistanzwanderfische wurde nun ein eigener Handlungs-Steckbrief erstellt, der entsprechende Forderungen zu Durchgängigkeit, Wasserkraft etc. enthält; vorher dazu kaum ein Wort.
* Anforderungen an die Wasserkraftnutzung (Auf- und Abstieg, Fischschutz etc.) sind vollkommen neu aufgenommen worden.
* Der Forderungskatalog des AVN zur Abmilderung von Klimawandelfolgen an Gewässern wurde wörtlich mit aufgenommen.
* Der Landkreis streicht die haltlose Behauptung, dass „nur wirtschaftlich nutzbare Arten“ unter das Fischereirecht fallen.
* Das Verbot zur Erweiterung und Neuanlage von Teichen wurde gestrichen, stattdessen wurde gefordert, dass diese – im Sinne des Baggerseeprojektes – „einhergehen sollten mit der Aufwertung des Lebensraumes“.
Wir bedanken uns sehr herzlich beim Landkreis Nienburg für die umfassende Berücksichtigung unserer fachlichen Argumente und hoffen, dass wir mit unserer Expertise ab sofort einen Teil zur Gestaltung der Wasserlebensräume entlang der Weser beitragen können.
Unser Dank gilt genauso allen Unterstützern auf politischer und verbandlicher Ebene, die sich für einen besseren Schutz von Fischen und Gewässern stark gemacht und die wichtige Rolle der Angler dabei anerkannt haben.
Foto: F. Möllers / AVN / Baggerseeprojekt