13.09.2013 |
Offener Brief des Landessportfischerverbandes Niedersachsen e.V. zum NDR Fernsehbeitrag “Hobby mit Widerhaken” vom 09.09.2013
Die Angelfischerei ist grundsätzlich tierschutzkonform – Im Film dargestellte Schockeffekte suggerieren ein komplett verfälschtes Bild der Angelfischerei
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bedauern und Unverständnis haben wir den Fernsehbeitrag des NDR „Hobby mit Widerhaken“ vom 09.09.2013 zur Kenntnis genommen. Die Journalisten Carsten Rau und Hauke Wendler skizzieren in ihrem Beitrag ein sehr unausgewogenes und damit deutlich verfälschtes Bild der Angelfischerei.
Zu Beginn der Sendung wird die Frage gestellt, ob Fische Schmerzen empfinden können. Bekanntlich ist diese Frage in akademischen Kreisen hoch umstritten, sodass sie nicht klar beantwortet werden kann. Während einige Wissenschaftler von einem bewussten Schmerzempfinden bei Fischen ausgehen, sind andere Wissenschaftler der Meinung, dass ein menschenähnliches Schmerzempfinden bei Fischen unwahrscheinlich ist. Im Beitrag werden zwar zwei der führenden Forscher auf diesem Gebiet vorgestellt, allerdings wird Prof. Braithwaite, welche von einem bewussten Schmerzempfinden ausgeht, die Möglichkeit gegeben, ihre Argumentation ausführlich darzulegen. Die Darstellung der gegensätzlichen Meinung, vertreten von Prof. Arlinghaus, wird dagegen auf ein einziges Argument reduziert, welches von Prof. Braithwaite dann ausführlich widerlegt werden soll. Viele weitere stichhaltige Argumente, welche gegen ein bewusstes Schmerzempfinden bei Fischen sprechen, werden somit ausgeblendet. Wir sind der Auffassung, dass diese unausgewogene Darstellung von wichtigen Argumentationslinien in einer ungeklärten wissenschaftlichen Frage nicht der guten fachlichen Praxis des Journalismus entspricht.
Leider zieht sich die unausgewogene Darstellung verschiedenster Aspekte der Angelfischerei wie ein roter Faden durch die gesamte Reportage. Die Autoren berichten ausführlich über das „Treiben“ an einigen kommerziellen Angelteichen. Insbesondere werden hierbei der Besatz sehr großer Fische zum baldigen Herausfangen aus dem Gewässer sowie die Trophäenfischerei, bei der gezielt sehr große Fische gefangen und nach dem Messen und Wiegen wieder zurückgesetzt werden, kritisiert. Es steht völlig außer Frage, dass diese im Beitrag dargestellten Angelpraktiken mit dem deutschen Tierschutzgesetz nicht in Einklang gebracht werden können und somit auch abzulehnen sind. Unerwähnt bleibt hingegen, dass der Betrieb kommerzieller Angelteiche und die Angelfischerei in den betreffenden Gewässern privat organisiert werden und ausschließlich dem Profit dienen. Diese Form der Angelfischerei stellt tatsächlich nur einen sehr kleinen Teil der gesamten Angelfischerei dar. Der deutlich größere Teil der deutschen Anglerschaft hingegen betreibt sein Hobby im Rahmen unkommerzieller und gemeinnütziger Gruppierungen, Vereine und Verbände. Genau diese Angelvereine- und Verbände haben sich schon immer deutlich von den dargestellten Praktiken der Trophäenfischerei und dem Besatz sehr großer Fische distanziert. Leider bleiben diese Aspekte in der Reportage vollkommen unerwähnt. Vielmehr distanzieren sich die Autoren als Privatperson von den dargestellten Praktiken an kommerziellen Angelseen, ohne zu bemerken, dass sie damit lediglich der mehrheitlichen Meinung der Anglerschaft folgen. Die Autoren stilisieren sich dabei als bessere Menschen gegenüber anderen Anglern. Durch diese Art der Darstellung wird fälschlicherweise suggeriert, dass die Angelfischerei in kommerziellen Angelteichen und tierschutzwidriges Verhalten der Angler der „Normalfall“ sind. Es wäre für die Autoren, welche vorgeben selbst Angler zu sein, leicht gewesen, diese irreführende Darstellung zu unterlassen. Als aktive Angler muss den Autoren klar gewesen sein, dass sie von dem Verhalten einer kleinen Gruppe auf mehrere Millionen Angler in Deutschland schließen und diesen, in Belangen des Tierschutzes ausgebildeten Menschen, Unrecht tun.
Im Beitrag wird deutlich gemacht, dass die kritisierten Angelpraktiken an kommerziell betriebenen Forellenseen von Tierschützern abgelehnt werden. Dies ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich wird mit Hilfe von filmischen Schockelementen auf ein Problem aufmerksam gemacht, welches seit jeher und lange vor allen Tierschutzorganisationen vorrangig von allen Fischereiverbänden abgelehnt wird!
Im Film wurde gezeigt, dass einige Angler an kommerziellen Angelteichen offenbar nicht in der Lage sind, einen Fisch waidgerecht zu töten. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass die betreffenden Angler nicht im Besitz einer Fischerprüfung sind, bei der die Angler den waidgerechten Umgang mit Fischen, inklusive deren Tötung, erlernen. Es muss von jedem Angler verlangt werden können, eine schnelle und tiergerechte Tötung eines Fisches vorzunehmen. Im Film wird leider nicht erwähnt, dass dies selbstverständlich flächendeckend der Fall ist! Hier wird von einem Einzelfall auf eine sehr große Gruppe von Anglern geschlossen, welche im tierschutzgerechten Umgang mit Fischen ausgebildet sind. Dieser sehr bedauerliche Umstand lässt uns an der Seriosität der Reportage und dessen Autoren stark zweifeln. Viel mehr entsteht der Eindruck, dass mit der Reportage versucht wurde, gezielt gegen einige schwarze Schafe vorzugehen, ohne zu bedenken, dass hierbei Millionen anderer Angler mit beschädigt werden.
Der Landessportfischerverband Niedersachsen e.V., im Übrigen mit 90.000 Mitgliedern auch der größte anerkannte Naturschutzverband in Niedersachsen und Mitglied im Niedersächsischen Tierschutzbeirat, widerspricht dieser stark verfälschten Darstellung der Angelfischerei vehement. Wir laden Sie deshalb herzlich dazu ein, eine filmische und objektive Darstellung der Angelfischerei gemeinsam mit uns vorzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Klasing
Präsident
Offener Brief des Landessportfischerverbandes Niedersachsen e.V. an den NDR
Die Reaktion des NDR, ebenfalls in Form eines offenen Briefes, finden hier: