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Rote Liste 2023- Gefährdungsstatus von 51 Fisch-, Krebs- und Rundmaularten in Niedersachsen neu bewertet

Die dritte Fassung der Roten Liste der Süßwasserfische, Rundmäuler und Krebse in Niedersachsen ist veröffentlicht. Was bedeutet dies für Anglerinnen und Angler?

Im September 2023 erschien die dritte Fassung der Roten Liste. Diese dokumentiert die aktuelle Gefährdungssituation von Fischen, Rundmäulern und Krebsen in niedersächsischen Binnengewässern. Die vorige Version stammt aus dem Jahr 1993. In der nun aktualisierten Roten Liste wurden 51 Arten und Ökotypen von insgesamt 77 in Niedersachsen nachgewiesenen Arten bewertet. Doch was bedeuten diese neuen Einschätzungen? Der AVN hat einige für Anglerinnen und Angler relevanten Ergebnisse für Euch zusammengefasst.

Die Bestände von Äschen sind in Niedersachsen stark rückläufig. Welse profitieren von der derzeitigen Situation. © Florian Möllers (Äsche), Matthias Emmrich (Wels)

Kurz & Knapp

In Niedersachsen Ausgestorben

Drei Wanderfischarten gelten trotz Wiedersansiedlungsprogrammen nach wie vor als ausgestorben. Das sind: Atlantischer Stör, Schnäpel, Maifisch.

Fast die Hälfte aller Fischarten in Niedersachsen ist gefährdet!

Weitere 22 Arten sind als gefährdet oder extrem selten eingestuft (Rote-Liste-Kategorie 1, 2, 3 und R). Somit sind fast die Hälfte aller Fischarten in Niedersachsen in ihren Beständen gefährdet! Die Karausche gilt mittlerweile als vom Aussterben bedroht (Rote Liste 1), die Äsche als stark gefährdet (Rote Liste 2). Nur 18 Arten sind aktuell nicht gefährdet (35,5 %).

Nicht heimische Flusskrebsarten gefährden heimische Edelkrebse

Bei den Flusskrebsen gibt es mittlerweile fünf nicht heimische Arten in niedersächsischen Gewässern, die eine Hauptgefährdungsursache für den vom Aussterben bedrohten (Rote Liste 1) heimischen Edelkrebs darstellen. Dazu zählt zum Beispiel der Signalkrebs.

Nicht heimische Signalkrebse bedrohen heimische Edelkrebse. © Matthias Emmrich

Kleiner Trost?

Aber es gibt auch erfreuliche Nachrichten: 16 Arten in Niedersachsen sind gegenüber der alten roten Liste aus dem Jahr 1993 als geringer gefährdet oder ungefährdet eingestuft. Hierzu zählen viele anglerisch nicht relevante Arten wie Bitterling, Bach- und Flussneunauge, Mühlkoppe, Steinbeißer, Schmerle. Aber auch die Bestände von Barbe, Hecht, Rapfen, Wels und Zander sind im Vergleich zur alten Roten Liste nun besser bewertet.

Nicht heimische Fischarten auf dem Vormarsch

Neben den 51 heimischen Arten kommen in Niedersachsen mittlerweile 24 (!) nicht heimische, gebietsfremde Arten, sogenannte Neobiota hinzu. Uns Anglern dürften wohl Schwarzmundgrundel, Sonnenbarsch, Wolgazander, Graskarpfen und Zwerg-/Katzenwels am geläufigsten sein.

Es gibt aber auch Nachweise von eher seltenen Exoten wie Amerikanischer Hundsfisch, Pazifischer Buckellachs, Asiatischer Schlammpeitzger und eine Reihe von Stör- und Sterletarten, die immer mal wieder in freien Gewässern auftauchen und gelegentlich auch an den Haken gehen.

Der Wolgazander ist mittlerweile seit über 10 Jahren in unseren Gewässern. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass der nicht heimische Zanderverwandte eine Bedrohung für heimische Arten ist. Aber viele gebietsfremde Arten sind für die heimische Fauna eine Gefährdung. So zum Beispiel der Giebel: Dieser wird nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen für Niedersachsen jetzt als gebietsfremd eingestuft und stellt eine Gefahr für Karauschenbestände dar (mehr dazu siehe hier).

Der Wolgazander gehört auch zu den Neuankömmlingen in unseren Gewässern. ©Matthias Emmrich

Werde Alienspotter

Du willst uns bei der Suche nach nicht-heimischen Arten unterstützen? Mit unserem Projekt Alienspotter wollen wir mehr Daten über die Verbreitung nicht-heimischer Arten in Niedersachsen sammeln. Über unsere Alienspotter APP kannst Du als Anglerin oder Angler ganz bequem Fänge nicht-heimischer Fisch- und Krebsarten melden.

Hier findest du alle Infos zum Projekt.

Gründe für die Gefährdung von Fischen

Der Gewässeraus- und -verbau sowie der Klimawandel sind wesentliche Gefährdungsursachen für Niedersachsens Fische. © Ralf Gerken, Florian Möllers

Verbauungen & Wasserkraft

Wesentliche Gefährdungsursachen vieler Fischarten bilden die über 4.200 Querbauwerke (Wehre, Schleusen, Abstürze, Sohlschwellen, Wasserkraftanalgen, Schöpfwerke) in Niedersachsens Fließgewässern, die eine Wanderung von Fischen stark einschränken oder gar komplett verhindern. Auch der Gewässerausbau und die Wasserkraft stellen signifikante Gefährdungsursachen dar, insbesondere für die Langdistanzwanderfische wie Lachse und Meerforellen. So wird im Schnitt jeder fünfte Fisch beim Passieren einer Kraftwerksturbine getötet oder lebensbedrohlich verletzt.

Klimawandel

Weitere Gefährdungen ergeben sich durch den Klimawandel. Wasserknappheit und hohe Temperaturen sind für viele Arten ein massives Problem. So sind in den letzten Jahren viele Kleingewässer erstmalig komplett ausgetrocknet!

Gewässerbelastungen & Fressfeinde
Hinzu kommt die Belastung unserer Gewässer mit Nährstoffen und Sedimenten. Der hohe Fraßdruck durch Kormorane und Fischotter bedrohen lokale Fischpopulationen zusätzlich. So ist beispielsweise die Äsche in Niedersachsen mittlerweile stark gefährdet (Rote Liste 2). Die Bestandseinbrüche hängen im Wesentlichen mit der starken Zunahme der Kormoranpopulation seit Mitte der 1990er Jahre zusammen. Trotz freiwilliger Schutzmaßnahmen vieler Angelvereine und dem Zurücksetzen gefangener Äschen erholen sich die Bestände nicht.

Lebensraumverlust & unbedachter Besatz
Auch der Lebensraumverlust spielt eine zentrale Rolle. Vielerorts existieren keine intakten Flussauen mehr. Dies ist beispielsweise für die vom Aussterben bedrohte Karausche ein großes Problem: Denn diese ist auf intakte Auengewässer mit kleinen stark verkrauteten Tümpeln angewiesen, die wenige oder keine anderen Fischarten beherbergen. In den letzten fünf Jahren sind viele dieser Tümpel in Folge des Klimawandels ausgetrocknet. Hinzu kommt noch ein unkontrolliertes Aussetzen von Giebeln oder Goldfischen, die mit der Karausche hybridisieren können, sodass es immer weniger reinrassige Karauschenbestände gibt.

Die Karausche gilt in Niedersachsen nun als vom Aussterben bedroht. @ Matthias Emmrich

Des einen Leid des anderen Freud?

Neben den Verlieren gibt es auch Gewinner. Insbesondere die wärmeliebenden Arten Rapfen, Zander und Wels profitieren von den sich immer stärker erwärmenden Gewässern. Der Wels ist mittlerweile in allen größeren Fließgewässern Niedersachsens in guten bis sehr guten Bestandsdichten vorhanden. Der extrem anpassungsfähige Räuber macht sich dabei auch unsere ausgebauten Fließgewässer mit den unzähligen Querbauwerken und Wasserkraftanlagen zunutze: Studien aus Frankreich zeigen, dass die Tiere mittlerweile eine Gefahr für Langdistanzwanderfische darstellen, da sie gezielt in Fischtreppen und vor Stauanlagen Jagd auf aufsteigende Lachse und Neunaugen machen.

Die Bestände von Rapfen entwickeln sich in Niedersachsen sehr gut. © Matthias Emmrich

Was tun Angelvereine und der AVN?

Niedersachsens Anglerinnen und Angler kümmern sich auf vielfältige Weise um gefährdete Fisch- und Krebsarten: Beispielsweise durch Wiederansiedlungsprojekte, bestandsstützende Maßnahmen für gefährdete Arten oder Renaturierungsprojekte. Der Anglerverband Niedersachsen setzt sich mit seinen 350 Vereinen maßgeblich für den Schutz unserer heimischen Fisch- und Krebsarten und der ökologischen Verbesserung unserer Gewässer ein. Zusammen mit unseren Vereinen und Institutionen betreiben wir Artenschutzprojekte für die Äsche, Karausche, Quappe und den Edelkrebs. Unsere Vereine betreiben zudem Aufzuchtstationen für Lachs und Meerforelle und setzen jedes Jahr zehntausende Individuen dieser gefährdeten Arten in Niedersachsens Flüsse.

Aktiv für den Artenschutz. Egal ob Karausche, Schlammpeitzger, Quappe, Äsche, Meerforelle oder Edelkrebs (von links nach rechts): Niedersachsens Anglerinnen und Angler kümmern sich intensiv um gefährdete Fisch- und Krebsarten. © Matthias Emmrich (Edelkrebs), Florian Möllers

Mehr Infos

Pressemitteilungen

Hier findest Du die gemeinsamen Presseinformation vom LAVES und NLWKN bezüglich der aktuellen „Roten Liste“ der Süßwasserfische in Niedersachsen:

LAVES Pressemitteilung

NLWKN Pressemitteilung

NDR Fernsehbeitrag

Hier findest Du ein Interview mit Florian Möllers (AVN) in „Hallo Niedersachsen“ zum Thema „Die Hälfte aller Fischarten in Niedersachsen ist bedroht”.

Beitrag anschauen (bis Oktober 2025)