
Pressemitteilung, 05.11.2025 | „Gepanzerter Edelritter“, so bezeichnet der Anglerverband Niedersachsen eine heimische Krebsart, die ums Überleben kämpft: den Edelkrebs. Der im Süßwasser lebende Großkrebs kann stolze 20 Zentimeter lang werden. Doch er ist seit Jahrzehnten nahezu flächendeckend aus unseren Gewässern verschwunden – verdrängt von gebietsfremden Krebsarten, die nicht nur um Nahrung und Lebensraum konkurrieren, sondern auch die für Edelkrebse tödliche Krebspest verbreiten. lm Landkreis Rotenburg (Wümme) sollen die vom Aussterben bedrohten Scherenträger nun wieder eine Heimat finden. Der Angelverein „Angelfreunde Ahausen“ und die kreiseigene Stiftung Naturschutz stellen zwei Gewässer als sicheres Refugium zur Verfügung. Insgesamt 400 Edelkrebse wurden hier eingesetzt. Die seltenen Tiere mit dem lateinischen Artnamen Astacus astacus stammen aus einem Nachzuchtprogramm des Anglerverbands Niedersachsen (AVN).
Die letzten ihrer Art
„Diese Edelkrebse sind eine echte Kostbarkeit für das Naturerbe Niedersachsens“, betont Helmut Speckmann vom AVN. Der Fischereibiologe kümmert sich beim Verband um den Erhalt selten gewordener Fische und Krebse. In Hannover vermehrt Speckmann Nachkommen einer Edelkrebspopulation aus dem südniedersächsischen Bergland. Mittlerweile ist diese Freilandpopulation erloschen. Speckmann trägt also Sorge für die letzten ihrer Art. Auf der AVN-Teichanlage werden die raren Tiere unter naturnahen Bedingungen gehalten und vermehrt. Nach rund zwei Jahren ist der Nachwuchs vier bis sechs Zentimeter groß. Diese sogenannten zweisömmrigen Krebse werden im Oktober abgefischt. In diesem Jahr hat der Anglerverband rund 950 Jungkrebse für den Arterhalt gewinnen können. Knapp die Hälfte davon ist nun – dank der Angelfreunde Ahausen und der Stiftung Naturschutz – in den Kreis Rotenburg (Wümme) gekommen. Die anderen Tiere werden durch ausgewählte Angelvereine, Naturschutzbehörden oder Fischereigenossenschaften in geeignete Gewässer ausgebracht.
Kreis Rotenburg (Wümme) wird eines der letzten Refugien
Für dieses Wiederansiedlungsprojekt ist es mitunter gar nicht so einfach, passende Teiche zu finden. Denn sobald Gewässer in Kontakt mit gebietsfremden Krebsarten – wie Kamberkrebs, Signalkrebs, Marmorkrebs, Amerikanischer Sumpfkrebs oder Galizischer Sumpfkrebs – gekommen sind, werden diese in der Regel für den heimischen Astacus astacus zur Todeszone. Grund dafür ist die sogenannte Krebspest, eine Pilzerkrankung, die von eingeschleppten Krebsarten übertragen wird und für Edelkrebse fast immer tödlich verläuft. Da der Erreger hochinfektiös ist, haben schon ein Wirtstier oder sogar verunreinigtes Fischereigerät das Potential, eine Edelkrebspopulation in einem Gewässer vollständig auszulöschen. Zudem sind die invasiven Krebsarten auf dem Vormarsch. Sie vermehren sich nahezu ungebremst entlang von Fließgewässern und können auch über Land krabbeln, um sich neue Lebensräume zu erschließen. Die Folge: Nur noch in abgelegenen Quellbächen und separierten Stillgewässern halten sich noch kleine Restbestände von Edelkrebsen. Dass im Kreis Rotenburg (Wümme) nun Gewässer gefunden wurden, die den strengen Kriterien genügen, ist also durchaus etwas Besonderes.
Was können wir für Edelkrebse tun?
Auch Privatpersonen können mithelfen, dass unsere größten heimischen Großkrebse erhalten bleiben –zumindest indirekt. Der Anfang vom Ende des Astacus astacus liegt in der Mitte des 19. Jahrhunderts: Damals wurden aus Übersee gezielt nicht heimische Süßwasserkrebse eingeführt, mit den unbedachten, tödlichen Folgen für heimische Edelkrebse. Darum ist es wichtig, Zierkrebse aus Aquarien, Gartenteichen oder dem Tierhandel nicht aus falsch verstandener Tierliebe, Bequemlichkeit oder Leichtsinn in die freie Wildbahn zu entlassen. Bei Unsicherheiten, welche Arten sich im eigenen Nass tummeln, kann man beim Expertenteam des AVN nachfragen. Auch hat der Verband eine sogenannte Alien-Spotter-App zum Download entwickelt. Die Nutzer können darüber Funde nicht heimischer Fisch- und Krebsarten in Niedersachsens Gewässern melden. Solch eine Meldung ändert zwar nichts am Bestand, aber zumindest wird die Verbreitung gebietsfremder „Aliens“ so dokumentiert.