
Seit dem 28. Oktober 2025 gibt es auf Facebook die Gruppe „Frauen mit Biss, gehen angeln“. Hier können Anglerinnen sich vernetzen, Erfahrungen austauschen oder schlicht aus der digitalen Versenkung heraustreten. Denn im öffentlichen Raum kämpfen Anglerinnen oft mit sexistischen Kommentaren, nervtötenden Anmachen oder diffamierenden Bemerkungen. Die Gruppe ist darum gut moderiert, mit klaren Regeln: Jede Teilnehmerin stimmt einem respektvollen Umgang miteinander zu. Die männliche Anglerschaft kann sich weiter auf anderen Plattformen austauschen, auf denen die Frauen zunehmend leise geworden sind. Dass die Gründerin Anja Habermann damit einen Nerv getroffen hat, zeigen die Followerzahlen: Über 600 Gruppenmitglieder sind innerhalb der letzten sieben Wochen bereits zusammengekommen. Der AVN hat mit Anja gesprochen, wie es zu der Gründung kam.
Anglerinnen, die der Gruppe beitreten möchten, können das tun unter: facebook.com/groups/3113252432309575
Wie es zu diesem Blogbeitrag kam
Eigentlich sollte dieser Text ein Interview werden. Doch auf die erste Frage, wie es zu der Idee von „Frauen mit Biss, gehen angeln“ kam, sendete uns Gründerin Anja Habermann einen so umfassenden, spannenden und berührenden Text, dass wir diesen hier einfach übernommen haben. Wir danken Anja für ihr Vertrauen und wünschen ihr und ihren Mitstreiterinnen für das Projekt weiterhin viel Erfolg!
Gründerin Anja Habermann erzählt:
Wie aus einem kleinen Herzenswunsch eine große Bewegung wurde
Eine große Bewegung fängt manchmal mit einem kleinen Herzenswunsch an. Mit einem Gedanken, der leise beginnt – so leise, dass man ihn zuerst kaum wahrnimmt. Doch wenn er wichtig genug ist, findet er seinen Weg hinaus in die Welt. So begann die Geschichte von „Frauen mit Biss, gehen angeln“.
Ich bin Anja, komme aus Leipzig, bin 50 Jahre alt und angle, seitdem ich denken kann.
Für mich war Angeln immer ein Stück Heimat, ein Ort der Ruhe, der Natur und der Freiheit. Gerade mit drei Kindern ist diese Zeit Gold wert und ein Stück Lebenselixier.
Mein verstorbener Mann war viele Jahre mein liebster Angelbuddy. Mit ihm habe ich unzählige schöne Stunden am Wasser verbracht und die tollsten Angelplätze besucht.
Nach seinem Tod aber wurde dieses Hobby zu etwas, das ich plötzlich wieder allein ausleben musste. Was sich damit für mich änderte? Die Angelstellen wurden spezieller …
Als Frau allein ans Wasser zu fahren, ist nicht immer entspannt
Ich suchte mir nur noch Angelstellen aus, an denen viele Menschen vorbeiliefen, aus reiner Vorsicht. Aber diese Plätze hatten einen großen Nachteil: Man hat keine Ruhe. Sobald man die Rute auswirft, steht irgendjemand da. Und diese „Anquatscher“ haben Zeit. Unendlich viel Zeit. Sie erzählen ungefragt, wie sie früher geangelt haben, dass die Technik heute alles kaputt macht, wie die Fische früher größer waren, dass früher sowieso alles besser war …
Und während man selbst nur entspannen will, reden sie stundenlang ungefragt weiter, und man ist gefangen in Gesprächen, die man nie wollte. Diese Mischung aus Angst an ruhigen Stellen und Dauerquatschen an vollen Stellen machte mir klar: Allein zu angeln ist als Frau oft kompliziert und frustrierend. Ich sehnte mich nach Gleichgesinnten, deshalb suchte ich in Foren nach Mädels aus meiner Ecke. Über ein Angelforum lernte ich dann Maria kennen. Ich schrieb sie an, da sie auch in Leipzig angelte. Wir verabredeten uns spontan, seither gingen wir, wenn es familiär passte, gemeinsam angeln.
Wie alles unbewusst ins Rollen kam – durch ein Treffen mit Maria und Katrin an der Mulde
Für den 17. Oktober 2025 verabredete ich mich mit Maria und meiner langjährigen Freundin Katrin an der Mulde in Grimma. Maria, die keinen Führerschein besitzt, fieberte nach eigenen Aussagen diesem Tag entgegen. Sie sagte: „Endlich mal ein anderer Spot und mit insgesamt drei Mädels – das kann nur cool werden.“ Der Tag war auch mega schön. Keiner musste an dieser abgelegenen Stelle das Rascheln im Busch hinter uns prüfen, jede konnte sich zu 100 % aufs Angeln konzentrieren, und zusammen war es viel, viel lustiger.
Gegen Mittag kamen zwei Angler den Abhang herunter. Als sie uns sahen, blieben sie wie versteinert stehen. „Das gibt’s ja nicht“, sagten sie, „das haben wir noch nie erlebt, drei Frauen am Wasser.“ Das Ganze klang allerdings nicht negativ, sondern wahrhaftig erstaunt. Dann meinte einer: „Oh schade, ich bin extra von weiter hergekommen, um meinem Kumpel diese Stelle zu zeigen. Und jetzt ist alles belegt.“ Wir schauten uns nur an und sagten: „Kein Problem, wir rutschen zusammen. Hier ist genug Platz.“ Die zwei Männer starrten uns an, als hätten sie nicht richtig gehört. Sie sagten: „So etwas haben wir in 30 Jahren Angeln noch nie erlebt, noch nie hat jemand die Stelle geräumt und ist gerutscht.“ Dieser Moment berührte mich irgendwie, er war so menschlich.
Bringen Frauen ein anderes Miteinander ans Wasser? Mehr Raum, mehr Rücksicht, mehr Herzenswärme? Zumindest glaube ich das, und dieser Gedanke sowie dieser richtig schöne Angeltag ließen mich den Rest des Tages nicht mehr los.
Der erste Schritt – eine kleine WhatsApp-Gruppe
Am Abend, zurück zu Hause, setzte ich mich hin und gründete eine kleine WhatsApp-Gruppe. Vier Frauen waren es … mehr nicht. Mehr Anglerinnen kannte ich leider nicht, da aber alle Familie hatten und wir verstreut wohnten, waren gemeinsame Verabredungen schwierig. Ich dachte, es muss doch noch mehr Frauen geben, die angeln oder angeln wollen und nicht allein gehen möchten, so wie ich.
Also gründete ich eine Facebook-Gruppe
Auf Facebook ist die Reichweite größer, dachte ich mir. Hier muss ich doch rund um Leipzig Mädels mit demselben Hobby finden. Anfangs waren wir genau vier Mitglieder, also sehr überschaubar. 😉 Dann begann ich, in verschiedenen Facebook-Angelgruppen rund um Leipzig Werbung für meine Mädels-Community zu machen. Aber viele löschten meine Beiträge sofort – aus Angst vor Abwerbung.
Das war frustrierend und schwer, weil ich niemandem etwas wegnehmen wollte, sondern den Mädels etwas geben wollte, etwas wie: „Wir sind selten, aber nicht allein … hier sind wir GEMEINSAM.“ Auf einer Facebook-Angelgeschäftsseite (wo ich auch ab und an einkaufen ging) suchte ich ebenfalls nach Mädels, dieser Admin löschte den Aufruf aber auch sofort. Ich war enttäuscht, vor allem vom Laden selbst … Doch ein Mädel sah die Werbung noch rechtzeitig und fotografierte sofort meinen QR-Code ab. Nancy schrieb mich an.
Die Begegnung mit Nancy – zwei Frauen, eine große Vision
Schon beim ersten Schreiben wusste ich: Wir schwimmen auf einer Wellenlänge. Ich schrieb mit ihr , erzählte von meinen Vorstellungen und dass mittlerweile elf Mädels zu „Frauen mit Biss gehen angeln“ gefunden hatten. Da diese aber nun nicht nur aus Leipzig kamen (wie eingangs geplant), sondern aus dem größeren Umland, sprudelte „deutschlandweit“ aus mir heraus. Ich war kaum noch zu halten mit meinen Gedanken, und Nancy hörte ganz in Ruhe zu. Plötzlich meinte sie: „Geile Idee, lass machen.“ Völlig aus dem Nichts kamen diese Worte, und ich spürte, dass ich nicht mehr allein war. Wir trafen uns, und wir entschieden: Wir ziehen das groß auf, richtig groß – und zwar deutschlandweit.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir neun Mitglieder und ab da zwei Admins. Nancy schrieb die Angelverbände an, ich konzentrierte mich auf Angler-Facebook-Seiten. Vier Wochen später waren wir über 500, das war wie ein Lauffeuer im heißen Sommer. Wir hatten etwas geschaffen, was Frauen offenbar dringend brauchten oder unbewusst gesucht hatten.
Warum diese Gruppe so wichtig ist
Jede Frau bringt ihre eigenen Gründe mit, warum sie sich anmeldet:
„Ich gehe nicht gern allein an abgelegene Spots.“
„Ich traue mich nicht, allein im Zelt zu übernachten.“
„Ich bekomme in gemischten Gruppen private Nachrichten von Männern, die ich nicht lesen will.“
„Ich werde ständig belehrt und nicht ernst genommen.“
„Ich möchte Frauen kennenlernen, die so sind wie ich.“
Bei uns stellt sich jede Frau in der Gruppe vor und zeigt zu 99 % auch ein Bild von sich. Auch ein Grund, warum diese Gruppe immer privat, nur für Frauen zugänglich ist und bleibt. Auch für Sponsoren machen wir aus diesem Grund keine Ausnahme.
Die PIN-Karte – mein Traum wurde Realität
In der ersten Woche auf Facebook kam mir ein Gedanke, der mein Kopfkino förmlich explodieren ließ: Wie wäre es, wenn wir eine Deutschlandkarte voller Pins hätten? Jeder Pin eine Anglerin. Jeder Pin ein möglicher neuer Angelbuddy in meiner Nähe, den ich anschreiben und mit dem ich mich verabreden kann. Ich tüftelte lange an einer Lösung, bis zum Erfolg. Frauen der Gruppe können nun die Karte öffnen, andere Anglerinnen in der Nähe ihres Wohnortes sehen und sich sofort vernetzen. Einige treffen sich inzwischen schon regelmäßig. Ich bin soooo gespannt, was 2026 abgeht. Immer wenn ich lese, dass sie sich auf Facebook gegenseitig anschreiben, bekomme ich Gänsehaut. Genau so habe ich es mir gewünscht, vom ersten Tag an. Und es funktioniert. Jeden Tag.
Auch für Mütter, Kinder und die, die gerade den Angelschein machen
Viele Frauen machen den Schein für ihre Kinder. Andere machen ihn für sich selbst. Viele sind Anfängerinnen – aber mutig. Und wir helfen uns untereinander, geduldig, wertschätzend, ohne Belehrungen. Wir haben immer öfter Mütter, die sich anmelden und fragen, ob sie zusammen mit ihren Kindern als blutige Anfängerinnen mitkommen können. Ob sie diese Fragen auch in einem gemischten Forum stellen würden?
Das Team – vier Frauen, eine Mission
Anja – Gründerin
Herz, Vision, Leidenschaft.
Nancy – Admin
Struktur, Stärke, Organisation.
Antje („Lieschen Müller“) – Moderatorin
Warm, hilfsbereit, naturverbunden, unterstützt uns im Norden.
Claudia – Moderatorin
Erfahren, beruhigend, unersetzbar, unterstützt uns im Süden.
Die Zukunft? Groß. Sehr groß. Wir planen: regionale Treffen, große Angel-Events, einen Podcast, Instagram, Kooperationen mit Verbänden.
Wir wissen nicht, wie weit uns diese Reise führt, aber wir wissen: Sie hat gerade erst begonnen.
Was hier entstanden ist, lässt sich nicht mehr aufhalten. Denn es lebt nicht von uns vieren, sondern von jeder Einzelnen von euch, die ihren Pin setzt, eine Nachricht schreibt oder sagt: „Komm, wir gehen zusammen los.“ Frauen mit Biss gehen angeln. Keine Gruppe. Sondern ein Gefühl. Und der Beweis, dass Veränderung manchmal mit einer einzigen Frau beginnt, die den Mut hat, laut zu denken.
Diese Bewegung gehört nicht mir oder uns vieren, sondern euch allen. Danke, Mädels!
Eure Anja