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In Weser und Nebengewässern schwimmen gefährdete Süßwasserdorsche

Für den Arterhalt setzten der Anglerverband Niedersachsen und Angelvereine in diesem Jahr 150.000 junge Quappen aus

Pressemitteilung, 09.07.2025 | In der Weser und ihren Nebenflüssen kann man, mit viel Glück, einen ganz besonderen Fisch fangen: Quappe (lateinisch: Lota lota) heißt der nachtaktive Raubfisch, der die Kälte liebt und als einzige Dorschart im Süßwasser lebt. Ohne den Anglerverband Niedersachsen (AVN) und seine Angelvereine wären wohl kaum noch Quappen im Wesereinzugsgebiet unterwegs. Denn die Spezies gehört in Niedersachsen zur Roten Liste (Stufe 3) und zählt damit zu den gefährdeten Fischarten. Der AVN hat es sich zur Aufgabe gemacht, lokalgenetisch angepasste Bestände von Lota lota zu erhalten. Dafür werden Elterntiere gefangen, in der Teichanlage des AVN fachkundig vermehrt und der Nachwuchs durch Angelvereine wieder ausgebracht. In diesem Jahr gab es dank des großartigen Nachzuchterfolgs einen Rekordbesatz: 150.000 junge Quappen wurden von 58 Vereinen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen besetzt. Mit dabei sind die Gewässer Weser, Leine, Aller, Große Aue, Hunte, Wümme, Mittellandkanal, Örtze, Oker, Fuhse, Südaue, Westaue, Dümmer sowie zahlreiche kleine Bäche – von Hameln, über die Heide bis nach Cuxhaven also. Die Kosten tragen die Angelvereine. Dieses ehrenamtliche Engagement verdient Respekt.

Mangelware Lebensraum

Nicht nur bei uns Menschen führt begrenzter Wohnraum zu Problemen. Unsere heimischen Süßwasserfische haben es mit einer prekären Situation zu tun. Rund 50 Prozent von ihnen sind gefährdet! Der Grund: Ihnen fehlt es an natürlichen Lebensräumen. Die Quappe ist ein Paradebeispiel dafür. Denn bis sie als stattlicher Raubfisch von bis zu 90 Zentimetern gefahrlos im tiefen Wasser jagen kann, muss sie verletzliche Lebensphasen als Ei, Fischlarve und Jungfisch überstehen. Als Kinderstube benötigt sie überflutete Auenlandschaften und strömungsarme Flachwasserbereiche. Im Erwachsenenalter sind tiefe Kolke der angesagte Aufenthaltsort. Diese natürliche Lebensraumvielfalt ist aber größtenteils menschengemachten, monotonen Flussläufen gewichen. Hinzu kommen Gewässerverbauungen, wie Wasserkraftwerke oder Wehre. Diese machen es vielerorts unmöglich verschiedene Habitate aufzusuchen. Als kälteliebender Fisch ist die Quappe zudem zunehmend durch den Klimawandel bedroht. All das sind Gründe, warum der Anglerverband Niedersachsen seit Jahren ein Arterhaltungsprojekt betreibt. Die jüngsten Zahlen mit 150.000 erfolgreich besetzten Jungquappen stellt das bisher Erreichte in den Schatten und lässt sich durchaus als Meilenstein betrachten.

Was Quappen zum Leben brauchen. © Foto ausgewachsene Quappe: vit08_shutterstock, andere Fotos: Florian Möllers (AVN)

Ziel der Aktion

AVN-Mitarbeiter Helmut Speckmann betont die Besonderheit bei diesem Artenschutzprojekt. „Wir achten hier wirklich darauf, dass lokalgenetisch angepasste Bestände erhalten werden“, erklärt der Fischereiwissenschaftler. „Es geht nicht darum, irgendwelche Quappen irgendwo zu vermehren und wieder auszusetzen, sondern genau die Stämme, die sich im Laufe der Evolution an unsere regionalen Bedingungen angepasst haben.“ Mit im Boot ist seit einiger Zeit die Teichwirtschaft Aschauteiche, die bei der Aufzucht der Larven unterstützt. Parallel sind viele Angelvereine in Renaturierungsprojekten engagiert. Denn diese Art von Fischbesatz ist nur eine Säule für den Artenschutz. „Dauerhaft müssen Flussökosysteme und ihre Auen wieder intakt werden“, mahnt Speckmann. Davon profitieren dann auch viele andere bedrohte Wasserbewohner.

Heutzutage sehen die meisten Fließgewässer so aus – der Verlauf ist monoton, Lebensräume zu wenig vielfältig. Deshalb sind viele Wasserbewohner bedroht. So auch die Quappe. © Florian Möllers (AVN)

Schutz durch Nutzung

Im Mai 2025: „Was machen sie denn da?“ Eine Spaziergängerin steht am Fluss und beäugt eine Gruppe Menschen skeptisch. Ein Mann tritt hervor und erklärt, dass hier junge Quappen ausgesetzt würden und dass das wichtig sei, weil die Art bedroht ist. Die Spaziergängerin zeigt sich beeindruckt und ist voll des Lobes – bis zu dem Punkt, da die Frage aufkommt, zu welcher Organisation ihr Gesprächspartner gehört. „Sie sind Angler? Achso, dann wollen Sie die Fische ja später nur wieder rausfangen“, ruft die Dame aus und stapft ein wenig unwirsch davon. Eine Situation, wie sie sich wirklich am Wasser zugetragen hat und die zeigt: Angelvereine werden als Naturschützer oftmals gar nicht richtig ernst genommen. Speckmann bedauert das: „Wir sehen in unserem Quappen-Projekt regelmäßig, dass Naturnutzung und Naturschutz beim Angeln wunderbar vereinbar sind“, erklärt der Artenschützer. Und er führt aus: „Viele sind der Meinung, dass das Interesse einen Fisch zu fangen im Widerspruch zu dessen Schutz stünde. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil Anglerinnen und Angler Fische fangen möchten, haben sie auch eine hohe Eigenmotivation dafür zu sorgen, dass die Bestände nachhaltig erhalten bleiben.“

Junge Quappen werden durch Angelvereine ausgebracht. © Matthias Emmrich (AVN)

Eine junge Quappe. © Matthias Emmrich (AVN)

Ausgewachsene Quappen dienen im AVN-Nachzuchtprojekt als Elterntiere. © Florian Möllers (AVN)

„Quappen-Papa“ Helmut Speckmann vom Anglerverband Niedersachsen beim Quappenbesatz. © Matthias Emmrich (AVN)

KONTAKT

Fachlicher Ansprechpartner
Helmut Speckmann
h.speckmann@av-nds.de

 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Eva-Maria Cyrus
e.cyrus@av-nds.de
Tel: 0511 – 357 266 40