
Jesse Theilen setzt sich beim Anglerverband Niedersachsen künftig für Gewässerrenaturierungen ein
Pressemitteilung, 03.11.2025 | Die Ergebnisse seiner Doktorarbeit sind alarmierend: In der Elbmündung ist der Fischbestand um 90 Prozent gesunken. Jesse Theilen hatte die Daten von 40 Jahren Elbforschung ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die Elbvertiefung dem – sich zwischendurch eigentlich erholten – Fischbestand beinahe den Todesstoß versetzt hat. Dies wurde im Fachmagazin „Estuarine, Coastal and Shelf Science“ veröffentlicht. Doch wie geht man als künftiger Doktor der Fischereiwissenschaft mit solchen traurigen Bilanzen um? Bei Jesse Theilen ist es die Flucht nach vorn. Mit Abschluss seiner Doktorarbeit hat er beim Anglerverband Niedersachsen (AVN) angeheuert. Hier will er ganz praktisch Angelvereine unterstützen, die sich für Renaturierungen – also die naturnahe Rückgestaltung – von Fließgewässern einsetzen. Die Elbe gehört zwar nicht zu den bislang avisierten Projektgebieten. Aber das Wissen, wie wichtig eine naturnahe Fließgewässergestaltung für gesunde Fischbestände ist, wird ihm künftig auch für Naturschutzvorhaben mit niedersächsischen Angelvereinen zugutekommen.
Dramatische Ergebnisse aus der Elbe
Theorie und Praxis werden oft als Gegensatz verstanden. Nicht so jedoch beim AVN. Der anerkannte Fischerei- und Naturschutzverband legt Wert darauf, dass seine Aktionen für Fische und Gewässer auch aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll sind. Jesse Theilen fügt sich als Mitarbeiter perfekt in diese Philosophie ein. Denn er ist ein Mann der Tat mit Forschungshintergrund. Die aktuellen Ergebnisse seiner Doktorarbeit gehen gerade durch die Medien: Theilen hatte Befischungsdaten an der Elbmündung von vier Jahrzehnten analysiert und in den Jahren 2021 und 2022 auch eigene Probennahmen an Bord des Hamenkutters Ostetal durchgeführt. Untersucht wurden Artenzusammensetzung, Fischdichte, Fischwachstum, Nahrungszusammensetzung und relevante Umweltfaktoren (wie Sauerstoffgehalt, Nährstoffbelastung und Gewässertrübung) im Elbe-Abschnitt zwischen Hamburg und Cuxhaven. Die Ergebnisse zeigten, dass es in den 1990er Jahren eine Verbesserung der Wasserqualität gab, die zu einem Anstieg der Fischbestände bis in das Jahr 2010 führte. Nach 2010 verkehrte sich diese positive Entwicklung jedoch ins Gegenteil. Der Fischbestand sank um drastische 90 Prozent!
Folgen für das gesamte Nahrungsnetz – auch über Wasser!
Die drei Schlüsselfischarten Stint, Flunder und Kaulbarsch sind in Folge der Elbvertiefung im Mündungsgebiet stark von einem Bestandsrückgang betroffen. Aber auch bei Jungfischen des Zanders konnte der gebürtige Ammerländer negative Veränderungen in Form eines verringerten Wachstums nachweisen. Gleichzeitig nahm die Gewässertrübung dramatisch zu. Der Doktor in Spe erklärt: „An manchen Stellen hatten wir eine Sichttiefe von fünf Zentimetern. Die Elbe ist an ihrer Mündung naturgemäß trüb. Aber dieser Wert ist wirklich extrem. Das wirkt sich dann auf die gesamte Fischbiologie aus: Auf Laichhabitate (die verschlicken), auf Fischnährtierchen (deren Vorkommen sich ändern) und auch auf das Jagdverhalten der Fische (die mangels Sicht vermehrt im Bodenbereich nach Nahrung suchen). Stinte sind wiederum eine wichtige Futterquelle für Raubfische und Küstenvögel. Die Folgen für das Nahrungsnetz wirken sich also auch über der Wasseroberfläche aus.“ Hering und Wittling gehören zu den Gewinnern der Veränderungen. Ihre Anzahl nahm zu, was aber nichts an dem prekären Rückgang der Fischdichte insgesamt ändert.
Hoffnung statt Resignation
Doch gibt die Studie, die am Leibniz-Institut für Analyse des Biodiversitätswandels und der Universität Hamburg entstand, auch Grund zur Hoffnung: Die Daten aus den 1980er-Jahren zeigen, dass Fischbestände sich auch wieder erholen können, wenn man ihre Umweltbedingungen verbessert. Genau daran will Jesse Theilen nun im Rahmen seiner neuen Arbeitsstelle beim AVN anknüpfen. Gemeinsam mit Angelvereinen des Verbandes soll er zahlreiche Projekte zur naturnahen Gestaltung von Flüssen umsetzen. Erste Ideen gibt es bereits für die Böhme, die Hamel, die Aller und die Sachsenhäger Aue. Noch bleibt abzuwarten, wann diese Vorhaben in die Tat umgesetzt werden. Die Vorbereitungen laufen aber bereits und Jesse Theilen hat die Ärmel schon hochgekrempelt.
PUBLIKATIONEN
Die Originalpublikationen wurden von einer Arbeitsgruppe am Leibniz-Institut für Analyse des Biodiversitätsforschung und der Universität Hamburg erstellt. Jesse Theilen ist Erstautor. Seit Juni 2025 arbeitet er beim Anglerverband Niedersachsen:
Theilen, J., Sarrazin, V.,Hauten, E., Koll, R.,Möllmann, C.,Fabrizius, A. &Thiel, R. (2025). Environmental factors shaping fish fauna structure in a temperate mesotidal estuary: Periodic insights from the Elbe estuary across four decades, Estuarine, Coastal and Shelf Science, Volume 318, 15 July 2025. https://doi.org/10.1016/j.ecss.2025.109208
Theilen, J., Storz, S., Amieva-Mau, S., Dohr, J., Hauten, E., Koll, R., Möllmann, C., Fabrizius, A., & Thiel, R. (2025). Inter- and Intra-Estuarine Comparison of the Feeding Ecology of Keystone Fish Species in the Elbe and Odra Estuaries. Fishes, 10(4), 161. https://doi.org/10.3390/fishes10040161
DISSERTATION
Theilen, J. (2025). Fish fauna structure, feeding ecology and growth of keystone fish species in the Elbe and Odra estuaries. urn:nbn:de:gbv:18-ediss-132022. https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11973